Eine Reise durch die Demokratische Republik Kongo

Auch in dieser Woche geht die Reise ins Innerste des afrikanischen Kontinents weiter. Sie führt uns in ein Land, das sicherlich auf den wenigsten Reiseinspirationslisten zu finden ist und von dem viele sicher nur die schrecklichen Geschichten seiner Vergangenheit kennen - wenn überhaupt. Dass das Land aber noch so vielmehr zu bieten hat und eine Reise dorthin wirklich bereichernd und prägend sein kann, dass erzählen wir euch heute. 

Das Ziel: die Demokratische Republik Kongo


Dominik, unser Reisegefährte für die Reise in den Kongo, folgt seinem Schatten durch die Welt und bloggt über seine Reisen auf Follow the Shadow. Auf dem Blog wird man in einem minimalistischen und einfachen Reisestil um die Welt geführt und einmal beschleunigt, geht es dann immer weiter. Meist geht die Tour an abgelegene Orte und bringt das tägliche Leben und die Hürden der Menschen näher. Ausgefallene und teilweise auch ungewöhnliche Reiseziele rund um Afrika und den Nahen Osten stehen vereinzelten Reisezielen in den beliebten Gegenden entgegen und zeigen den Kontrast der Welten und der Natur.

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Es tickt die Uhr. Die Mittagspause ist schon fast wieder vorbei und das nächste Meeting steht vor der Tür. Ich sitze mit Kollegen in einer riesigen Kantine und plaudere froh und lustig über meine anstehende Reise nach Afrika. Meine Wunschregionen werden auseinander genommen und analysiert; Tipps zum Packen ausgetaucht und natürlich werde ich nach meiner Aufregung gefragt.Ist es wirklich bald soweit? Der Arbeitsalltag lässt so gewisse Dinge noch in weiter Ferne klingen, dennoch sind es nur noch vier Wochen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie die Idee in die Runde gelangte, aber die Demokratische Republik Kongo wird erwähnt. Ich erinnere mich wage an den Geografieunterricht zurück und mir kommt der Kongo als Fluss in den Sinn. Hatte ich nicht vorgestern in einem alten Reiseführer über eine Abenteuertour einmal quer durch das Land gelesen? Die Beschreibungen klangen schon so vage, dass es beim Lesen der Routenbeschreibung meinen Entdeckerdrang wach werden ließ. Nur alleine? Nein, das kann ich mir aktuell nicht vorstellen.

Mein Kollege bohrt nach. Mein Interesse ist da. Nur wie komme ich an ein Visa in vier Wochen? Das Ende der Mittagspause naht und die Idee wird verworfen. Als "Nice-to-visit" abgespeichert geht diese Idee im Wirrwarr der letzten Tage einfach wieder unter.


Einige Monate später. Eine kleine Planänderung am Tanganjikasee lässt mich auf die Suche nach dem burundischen Konsulat gehen. Ich biege zu früh ab und werde freundlich am kongolesischen Konsulat empfangen. Hier bin ich falsch und eigentlich will ich gerade nicht in den Kongo. Schnell ist die Sache wieder vergessen.

Eine Woche später. Es geht gerade die Sonne über Kigali auf. In einem Hostel sitze ich auf der Couch und genieße ein recht gutes Frühstück. Der Plan für den heutigen Tag: Gorilla-Tour organisieren und einen Vulkan zum Klettern und Wandern aussuchen. Ich bin aber noch alleine und suche eigentlich auch Leute, die mitreisen wollen. Kosten sparen. So ein Ausflug mit Transport und Guide ist nicht ganz billig und das Budget nach einigen Monaten in Afrika schon angeknabbert. Es ist eine lustige Runde, in die ich mich gesellt habe. Mein Plan für den Tag wird schnell torpediert. Mir werden die Gorillas im Kongo vorgeschlagen. Erstmal nichts anderes als die in Ruanda, aber der Vulkan, dessen Namen ich mir erst eine Woche später wirklich merken kann, soll aktiv sein. Ein Blick in den mir überreichten Reiseführer offenbart mir ein Erlebnis. Aber das ist alles im Kongo! Ich bin mir nicht sicher, aber die Situation in der Region soll gerade sehr gut sein und ein Besuch möglich. Wozu sind denn Pläne da? Damit man sie umwerfen kann. Mein Tag wird plötzlich stressig. Wieso auch immer, ich will sofort los. Keine Zeit verlieren. Die Anziehungskraft des Ortes scheint sehr groß zu werden. Ein paar Telefonate und Rückversicherungen später ist zumindest der erste Teil geklärt. Nun muss ich nur noch eine Reiseagentur finden, die mich über die Grenze bringt. "Zu gefährlich", bekomme ich oft zu hören und ziehe weiter. Erst einige Stunden später finde ich über Umwege eine Agentur. Es klingt gut und ich lasse mich treiben.

Einige Tage später. Mein Herz pocht und was vor Monaten noch als "Nice-to-visit" galt wird Realität. Ich laufe mit vollem Gepäck auf die Grenze zu, die sich eigentlich mitten durch das Siedlungsgebiet Gisenyi und Goma zieht. Ich werde freundlich von meiner Agentur an der Grenze empfangen und über die Grenze geführt. Einen riesigen, roten Stempel später bin ich im Kongo. Kaum zu glauben. Aber jetzt heißt es erstmal ankommen und die Aufregung verdauen. Ich will mich auch gar nicht zu sehr eingewöhnen, denn in fünf Tagen bin ich sowieso wieder zurück in Ruanda. Der Plan hält genau einen Tag. Ziemlich genau vierundzwanzig Stunden bin ich in dem Glauben, von diesem Land werde ich nicht viel sehen. Als ich dann aber am Fuße des Nyiragongo Vulkans in der kleinen Rangerstation stehe und zwei andere Deutsche treffe, die mir von ihrem Ziel erzählen, ist mein Plan - fünf Tage Kongo - einmal gemacht, um genau jetzt geändert zu werden.
Was genau die beiden Deutschen vorhaben wird mir erst während des Aufstiegs auf den Vulkan klar. Sie wollen den Kongo-Fluss hinunter fahren. Wie? Es gibt da so Möglichkeiten, aber nichts ist gesichert. Mir gehen viele Punkte durch den Kopf. Soweit es natürlich die Höhenluft und der Aufstieg zum Vulkan zulassen.
Will ich meinen Plan ändern? Was kann alles passieren? Ich kenne das Land nicht! Ich habe gar kein Visa für den Zeitraum. Ich habe keinen Flug zum Ausgangspunkt. All diese Punkte treten erstmal in den Hintergrund. Ich habe nämlich gerade den Kraterrand erreicht und blicke zum ersten mal in meinem Leben auf einen Lavasee. Der Wahnsinn! Es ist wirklich unglaublich, was Mutter Erde alles hervorbringt.


Mit dem Abstieg steht für mich fest: Diese einmalige Chance, das Land zu erkunden, lasse ich mir nicht entgehen. In der kurzen Zeit zwischen Vulkan und den Berggorillas am nächsten Tag organisiere ich die Visaangelegenheiten und suche nach Plätzen im Flugzeug. Alles lässt sich noch nicht klären, aber ich bekomme einen Kontakt zugespielt, der uns in Kisangani den Weg zur Flussfahrt ebnen soll. Bevor es aber losgeht kommt mein zweiter Höhepunkt, warum ich ursprünglich in das Land gereist bin: die Berggorillas.


Auf dem Weg aus Goma in Richtung Norden passiere ich mehrere UN-Stützpunkte und entlang der der Grenze zu Ruanda ziehen sich Kilometer weit die Überreste von Flüchtlingslagern aus dunkleren Zeiten von Ruanda und Kongo. Das Ausmaß ist herzzerreißend, wie auch die Geschichte des Kongo, die an mir vorbei rauscht. Ein Teil der Geschichte sind auch die Gorillas. Ich kämpfe mich durch bergigen Urwald vorwärts und als die Gorillas in Sichtweite kommen löst der Anblick wahre Freude in mir aus. Dieses einzigartige Lebewesen, das zu 95% mit dem Menschen verwandt ist. Unvorstellbar und doch so nah.


Es fügt sich alles wie ein Puzzle. Nur wenige Stunden vor dem Abflug nach Kisangani halte ich auch mein Visa in der Hand. Am Flughafen in Goma werde ich zur Seite genommen und muss dem Einwanderungsbeamten erklären, was ich vorhabe. Ich werde mehrfach von ihm gefragt, wieso ich nach Kisangani fliege und dann mit dem Boot den Fluss nach Kinshasa fahren möchte. Es würde doch viel schneller gehen, wenn ich direkt das Flugzeug nehmen würde. Es wäre definitiv leichter und sicherer. Erst nach mehreren Anläufen gelingt es mir, ihn von unserem Plan zu überzeugen und wir dürfen das Flugzeug besteigen. Das Konzept "Tourist" ist noch nicht wirklich bekannt. So auch einige Wochen später, als ich einem Mitarbeiter des "Touristenbüros" erklären muss, dass seine Hilfe und seine Forderung sich nicht mit meinen Konzept "Tourist" vereinbaren lassen. Dieses Beispiel steht für mich sinnbildlich für ein hartes Leben als Tourist, denn die Infrastruktur ist nicht für ausländische und manchmal sogar inländische Reisende ausgelegt. Während in Ländern wie Äthiopien, Madagaskar oder Kenia der Tourist ein Bekannter ist, so ist im Kongo der Tourist etwas absolut unbekanntes. Dies macht für mich aber auch den Reiz an diesem Land aus. Man kann sich frei bewegen, man wird nicht von Werbern, Schleppern und Agenturen überlaufen und die Menschen sind absolut natürlich und offen eingestellt.


Diese Natürlichkeit, Gastfreundlichkeit und Offenheit zeigt sich besonders, als wir das Schiff in Kisangani besteigen und den Kongofluss hinabfahren. Es wird nur wenige Kilometer nach der Lokalhauptstadt ländlich. Kleine Piroggen bringen uns Verpflegung an Bord. Alles, was man sich so aus Fluss und Feld im Dschungel herstellen kann.


Unsere Mitreisenden kennen zu jedem Dorf und zu jeder Fabrik entlang des Flusses die Geschichte und teilen sie mit uns. Sie bringen persönliche Erfahrungen mit ein und es ist auch ein tiefer Einblick in die Geschichte des Landes. Alle Fabriken gehen bis in die Kolonialzeit zurück. Heute teilweise Ruinen, teilweise noch aktiv, teilweise Mahnmale der Ausbeutung.


Mit jedem Halt entlang des Flusses wird das Interesse an uns in der Bevölkerung geweckt. Unsere Mitreisenden begleiten uns über die Märkte, verhandeln für uns die Preise und schnell bekommen wir den Spitznamen "Affen" ab, da wir viele Bananen zu uns nehmen. Abends legen wir immer an und haben noch schnell eine Chance, die Siedlung zu erkunden.


Eine Traube von Kindern bringt uns zu ihrem Fußballfeld und zeigt uns danach den Ort. Die Lebensbedingungen sind hart und ich habe vollen Respekt vor der Härte der Natur. Die Menschen scheinen dennoch sehr glücklich. Während die Menschen in den Städten etwas angespannter sind, so sind wir hier sehr willkommen. Die gleiche Gastfreundschaft schlägt uns einige Tage später wieder entgegen. Wir möchten den Fluss verlassen und uns ein wenig durch das Hinterland bewegen. Etwas abtauchen in den Regenwald.



Unsere Anwesenheit bleibt in den meisten Städten nicht ungesehen und wir werden überall freundlich empfangen. Meist zeigen uns Kinder den Weg, helfen uns bei Verhandlungen und bringen uns mit Fahrern in Kontakt.

Während meiner Meinung nach ein Großteil der Bevölkerung uns sehr aufgeschlossen entgegensteht, so gibt es natürlich auch Ausnahmen. Hin und wieder wird in uns ein laufendes Geldbündel gesehen und absoluter Wucher bei Preisen angesetzt. Dabei spielte wahrscheinlich weniger Rationalität als der einfache Versuch eine Rolle. Fünf Dollar pro Kilometer für eine Fahrt in einem Jeep sind definitiv nicht mehr reel. Mit Hilfe von neuen Freunden, die für uns verhandeln, konnten wir mit etwas Mühe schnell diese Dinge umgehen.


Als sich die Reise dem Ende neigt und wir in Kinshasa eintreffen, erleben wir plötzlich eine ganz andere Welt. Es ist, als wären wir in einem riesigen, brodelnden Topf gelandet. Die Menge der Menschen ist nach Wochen der Abgeschiedenheit eine riesige Herausforderung. Auch die Veränderung der Infrastruktur ist gewöhnungsbedürftig. Geteerte Straßen, fließendes Wasser, Supermärkte, in denen ich beim Betreten vor Überangebot einen lauten Schrei ausstoßen muss und Essen. Dafür sind die Menschen etwas zurückhaltender. Wir sind nicht mehr so besonders. Wir sind einfach nur ein Teil der Masse. Nichts mehr besonderes. Der riesige Pott zieht die Menschen aus dem ganzen Land an, vermischt die Kulturen, schürt aber auch gewiss Unwohlsein, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden.


Meine Reise durch das riesige Land findet hier ein Ende. Nach über 2500 Kilometern zu Luft, zu Wasser und zu Land ist Kinshasa die Endstation einer bewegenden Durchquerung. Während der Osten immer noch mit der Geschichte zu kämpfen hat und die Region vor sich hinbrodelt wie ihr Naturvulkan, ist die Region entlang des Kongoflusses ein ruhiger Ort mit harten Lebensbedingungen. Mbandaka und Kinshasa hingegen sind wie eine andere Welt. Die Städte bieten fast alles, was man sich wünschen kann. Sind angebunden und streben nach mehr. Ob die Bevölkerung aber glücklicher ist?

Ich verlasse das Land. Sehenswürdigkeiten gibt es kaum, dafür bleibt es mir als offenes, freundliches Land in Erinnerung, das aber manchmal ganz schön Nerven kosten kann. Das Land ist sein eigenes Erlebnis!

Danke Dominik, dass du uns in dieses einzigartige Land mitgenommen hast. 
Nun interessiert mich deine Meinung. Warst du bereits im Kongo oder könntest dir vorstellen, das Land einmal zu bereisen? Erzähle mir deine Gedanken dazu in den Kommentaren!

2 Kommentare

  1. Hi Dominik,
    Danke für deinen Reisebericht aus dem Kongo! So fangen doch die besten Reisen an. spontan, unverhofft und ohne Plan :)

    Ich war schon in einigen Ländern in der Region, aber den Kongo konnte ich bisher nicht so gut einschätzen. Dein Artikel macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Ich lese auch gerade ein Buch über die DRK um ein bisschen besser in der Geschichte durchzublicken.

    Warum denkst du sind die Lebensbedingungen so hart? Du bist leider nicht weiter darauf eingegangen. Nur, weil der Lebensstandard ein anderer ist als bei uns, lebt man ja nicht gleich in Armut. Aber vielleicht meintest du auch etwas anderes (Klima?). Bitte versteh das nicht als Angriff, mich interessiert es wirklich und ich finde es schade, wenn manchmal so pauschalisiert wird.

    Ganz liebe Grüße,
    Sophie

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    1. Hallo Sophie,
      stimmt, die besten Reisen sind die, die sich unverhofft und spontan ergeben.
      Auf deine Frage kann ich selbst leider gar nicht eingehen, aber ich leite es mal an Dominik weiter. Der weiß es ja bestimmt (=

      Liebe Grüße

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