{Über den Tellerrand} Die starken Frauen von Ghana

Dieser Post wird anders als die bisherigen, die hier auf dem Blog veröffentlicht wurden. Anders, da es um ein Thema geht, das es bisher noch nicht auf den Blog geschafft hat und über das ich so schnell vermutlich nicht geschrieben hätte. Warum ich nun trotzdem darüber schreibe? Das Thema bekam ich im Zuge von Katos Blogparade "Über den Tellerrand". Über den Tellerrand schauen musste ich beim Schreiben dieses Artikels wirklich. Genau das war Sinn der Sache. Während des Schreibens wurde mir immer mehr bewusst, dass die Bearbeitung für mich gar nicht so einfach war. Ich bin sicher, dass viele andere Ansichten haben, als ich sie in Bezug auf afrikanische bzw. ghanaische Frauen hier beschreibe und möchte daher klar stellen, dass ich hier über meine eigene Meinung und meine eigenen Gedanken dazu schreibe. Zudem ist es so, dass ich hier nur einen winzig kleinen Teil beschreibe, der nicht als die Regel zu sehen ist, denn uns ist wohl allen klar, dass das Leben in Ghana gerade auch für Frauen ziemlich hart sein kann. 
Dennoch hoffe ich, euch nun einen kleinen Einblick in einen anderen Teil der ghanaischen Kultur geben zu können. 

Ghanas starke Frauen

Über das westafrikanische Land Ghana, die ehemalige Goldküste, habe ich schon das ein oder andere Mal erzählt. Eine Reise dorthin misst sich nicht an der schönen Landschaft oder den kulturellen Schätzen, die das Land zu bieten hat. Eine Reise nach Ghana misst sich an den Begegnungen mit den Menschen, die wir dort machen, den Gesprächen, die wir mit ihnen führen und den Lebenserfahrungen, die die Ghanaer mit uns teilen. 


Blick hinter die Kulissen


In den Medien werden uns über den großen, schwarzen Kontinent, wie Afrika gerne mal genannt wird, Bilder suggeriert von Hunger, Gewalt und Krieg. Bilder, die sich einprägen und die wir im Kopf haben, wenn wir an Afrika denken. Dazu kommen vielleicht noch Begriffe wie bunte, farbenfrohe Kleider, Wüste, Meer, Urwald, kaputte oder überhaupt keine Straßen und arme, aber glückliche Menschen. All das sind Assoziationen, die wir von dem afrikanischen Kontinent vermittelt bekommen. 
Ghana ist da, wie einige andere afrikanische Länder auch, die große Ausnahme. Das westafrikanische Land gilt seit dem Präsidentschaftswechel im Jahr 2000 als politisch stabil, denn der damalige Wahlkampfsieg von John Kufuor wird auch heute noch als demokratischer Meilenstein in der Geschichte des Landes angesehen. Eine Reise nach Ghana zeigt, was möglich ist, wenn Krisen und Kriege ausbleiben. Die Mittelschicht boomt und viele junge GhanaerInnen nutzten die Chance, um in England, Amerika, Frankreich oder Deutschland zu studieren. Sie alle sind froh, wieder zurück zu sein. Zurück in einem Land, das ihre Heimat ist, das aber nach europäischem Standard als Entwicklungsland gilt. Zurück in einem Land, das unendlich viele Möglichkeiten und Chancen bietet, eben weil es nicht nur aus Dreck, Gestank, Gewalt und Armut besteht. 

Ghanas starke Frauen


Das Huhn weiß, dass der Tag anbricht, lässt jedoch den Hahn krähen. 
So heißt es in einem ghanaischen Sprichwort. Ein Sprichwort, das meiner Meinung nach die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern in Ghana gut wiederspiegelt. 
Etwas, das in dem afrikanischen Land wirklich bemerkenswert ist, ist die Stellung der Frau. In Ghana sind viele Familien matrilinear organisiert. Im Gegensatz zu anderen Regionen ist es also üblich, dass traditionelle Ämter, der Fortbestand der Familie oder die Erbfolge nicht vom Vater auf die Kinder übertragen werden. Vielmehr sind es die Angehörigen der weiblichen Linie, die die Zepter in der Hand haben. Noch heute ist es deshalb so, dass eine Frau, die *queen mother*, das entscheidende Vorschlagsrecht inne hat, wenn es um die Wahl des traditionellen Familienoberhaupts, der Chiefs, geht. 
Das ghanaische Straßenbild ist geprägt von Frauen. Sie betrachten es als selbstverständlich, arbeiten zu gehen, sie sind oft unabhängig von ihren Ehemännern, verdienen ihr eigenes Einkommen und halten nicht nur die Familie zusammen, sondern kümmern sich auch noch fast wie nebenbei um den Haushalt und die Kinder. Ghanaerinnen sind sehr selbstbewusst, sie wissen um ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten und nutzen diese auch.

FunFact: Ca 80% der Ghanaerinnen sind berufstätig. Im Vergleich zu Deutschland sind das rund 15% mehr. 



Und Ghanas Frauen sind schön. Durch ihre ganz spezielle Schönheit strahlen sie eine Würde aus, die vielen von uns völlig fehlt. Schönheitsideale in Ghana unterscheiden sich sehr von denen, wie wir sie hier kennen. Die Frauen stehen zu ihrem Körper, sie hüllen ihn in schöne Kleider und zeigen, was sie haben. Auch auf Werbeplakaten sind zum Beispiel keine Hungerhaken zu finden, sondern Frauen, die als schön gelten, egal ob sie Konfektionsgröße 36 oder 46 haben. 

Eine Frau ist eine Blume in einem Garten, ihr Mann ist der Zaun drum herum. 
Ein weiteres ghanaisches Sprichwort, das mir ebenfalls sehr passend erscheint, wenn es darum geht zu beschreiben, welch immense Rolle ghanaische Frauen einnehmen. Dennoch heißt das nicht, dass ich Ghanaerinnen auf dieses Sprichwort reduzieren möchte, denn die Frauen in diesem einzigartigen Land sind noch viel mehr. 

Denke ich an die Ghanaerinnen kommen mir auch andere Gedanken in den Sinn und Momente, die ich mit ihnen erleben durfte. Ghanas Frauen sind stark. Egal, wie schwierig eine Situation erscheinen mag, sie geben nicht auf. Sie versuchen, das Beste aus ihrem Leben zu machen, kämpfen für ihre Rechte und versuchen, Vorbilder für ihre Kinder zu sein und tun alles in ihrer Macht stehende, um ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen. So weit es eben geht. Ghanas Frauen sind mehr als die, die Waren auf der Straße verkaufen und ihre Kinder in bunten Tüchern auf dem Rücken tragen. 

Mich fasziniert es immer wieder, Gespräche mit Ghanaerinnen zu führen, mich mit ihnen zu unterhalten und ihre Sicht der Dinge zu erfahren. Die Geschichten, die sie zu erzählen haben, gehören schon fast in ein Buch. Sie sind stolz auf sich, auf ihre Familie und auch wenn sie viele Verpflichtungen haben sind sie es, die alles zusammen halten. Sie bekommen es hin zu arbeiten, den Haushalt zu führen, sich um die Familie zu kümmern und werden auch für das Land immer wichtiger. Immer mehr Frauen gründen ihre eigenen Firmen, arbeiten in Führungspositionen und auch, was die ghanaische Politik betrifft, finden sich immer mehr Frauen, die in dem Bereich anerkannt sind. 


Der lange Weg zum Heute


Natürlich ist es dennoch so, dass es Frauen in einem Land wie Ghana nicht leicht haben. Um dorthin zu kommen, wo sie heute sind, war es ein langer Weg. 
Zur Zeit der Volksstämme, die es heute teilweise noch gibt, galten Frauen als etwas Besonderes. Traditionell gesehen hieß es, dass der Frau die Fähigkeit geschenkt wurde, es regnen zu lassen und das Feuer zu finden. Die Frauen waren es, die die Familie spirituell leiteten und versorgten. Auch heute noch gibt es eben jene Frauen, die in der Lage sind, den Regen oder ein herauf zu beschwören und die spirituell so hoch angesehen sind, dass selbst männliche Katamotobi (so werden Menschen mit spirituellen Kräften in Ghana genannt) dahinter erblassen. Ich hatte das große Glück, solche Frauen kennen zu lernen und ihre Geschichte zu erfahren. Momente, die mich geprägt haben und die mich noch mehr den Weg, den ghanaische Frauen in der Vergangenheit gegangen sind, wissen lassen. Dann kam der Sklavenhandel und die Kolonisation. In das bis dahin unberührte Afrika drangen sämtliche europäische Staaten und Reiche ein. Sie brachten nicht nur Waffen mit auf den schwarzen Kontinent, sie brachten noch etwas anderes mit. Ihre Kultur. Die Christianisierung begann, Kinder wurden nach europäischen Regeln und Ansichten gelehrt und erzogen. Was daraus resultierte liegt auf der Hand. Nach und nach verschwanden viele Traditionen der Ureinwohner, denn nur wenige bewahrten sich das uralte Wissen und die Traditionen. Mit dem Verschwinden von uralten Traditionen verschwand auch die einstige Autorität der Frauen. In Ghana war das nicht anders als in anderen Ländern Afrikas. Eine etwas Speziellere Rolle nahmen zu dieser Zeit die islamisch geprägten Teile Subsahara- Afrikas ein. Die Frauen waren vollkommen abhängig von ihren Männern und von der einstigen Gleichstellung von mann und Frau blieb kaum etwas bis nichts mehr übrig. 
Deshalb ist es umso schöner zu sehen, wie sich die Rolle der Frau in der ghanaischen Kultur wieder gewandelt hat. Heute sind viele von ihnen gebildete, angesehene, einflussreiche und starke Mitglieder der ghanaischen Gesellschaft und Inspiration zugleich. 

Wie weiter oben bereits erwähnt hätte ich ohne die "Über den Tellerrand"-Aktion vielleicht nicht über Ghanas starke Frauen geschrieben, obwohl dieser Aspekt direkt mit der ghanaischen Kultur und der Geschichte des Landes verbunden ist. Das Thema bekam ich von Corinne, die für die Blogparade einen gänzlich unironischen Text über ihren Feminismus geschrieben hat. Natürlich durfte auch ich ein Thema vergeben und ihr könnt nun über Marens kulinarische Reise lesen. 

Nun würde ich von euch gerne wissen, ob mehr solcher Posts den Weg hierher finden sollen. Interessieren euch solche Themen oder findet ihr sie eher unwichtig?





18 Kommentare

  1. Was für ein toller Text! Das hatte ich mir gewünscht, viel Neues zu erfahren & über den Tellerrand zu schauen. Danke dir dafür.

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    1. Dann bin ich ja beruhigt, dass du dir einen Artikel der Art vorgestellt hattest, als du das Thema rausgesucht hast. Ich muss aber zugeben, dass du mich damit ganz schön über den Tellerrand hast blicken lassen.

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  2. Das ist ein sehr interessanter Artikel. Du gibst einen tollen Einblick in ein Land und eine Kultur über die ich gleich Null weiß. Mir gefällt, dass es kein typischer "Touristen Post" ist sondern wie das Thema schon sagt "Ein Blick über den Tellerrand". Außdem scheinst du die auch viel Mühe beim Recherchieren gegeben zu haben. :)

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    1. Danke dir.
      Vieles, was ich in dem Post beschreibe, beruht auf meinen persönlichen Erfahrungen, den Gesprächen mit den Menschen vor Ort und meinem Wissen über die ghanaische Kultur. Das ein oder andere musste ich aber dennoch nochmal bei meiner ghanaischen Familie nachfragen.

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  3. Hallo Wibke,

    toller Bericht und besonders gefällt mir das Sprichwort ;-) Ich mag solche Berichte sehr gerne und man kann etwas hinter die Touristenkulisse blicken und das Echte sehen.
    Danke
    LG Tanja

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    1. Freut mich, dass du solche Artikel gerne magst. Sie sind ja doch etwas anders als die typischen Touristenartikel, die man sonst so zu lesen bekommt.

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  4. Wow, was für ein interessanter Artikel! Das ist echt ein Thema, das man wohl nur als "Insiderin" so richtig erfassen kann. Umso schöner, dass du es aufgegriffen hast. Finde ich super!

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    1. Danke dir.
      Nach meinem allerersten Aufenthalt in Ghana wäre ich wohl noch nicht in der Lage gewesen, einen solchen Artikel zu verfassen. Mit Ghana ist es ja wie mit jedem Land- man muss es intensiv erlebt haben, um so einen tieferen Einblick in die Kultur und das ganze Land uns seine Menschen zu bekommen. Umso schöner ist es dann, wenn man so viel positives Feedback auf einen Artikel bekommt.

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  5. Der Artikel ist sehr interessant und es ist beeindruckend, was alles dahintersteckt! Schön, dass du aus Ghana heraus so berichtest, deine Posts machen immer mehr Lust auf dieses Land!

    Wusstest du, dass ich mich aufgrund deines Blog dazu entschlossen habe, mal gezielt nach FSJ-Angeboten in Ghana zu gucken? Ich möchte da unbedingt mal hin!

    Liebe Grüße,
    Malika

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    1. Danke dir, Malika.
      Nein, wirklich? Ghana ist wirklich eine Reise wert, wenn man sich auf land und Leute einlässt. FSJ Angebote gibt es für Ghana ja einige, da findet sich bestimmt etwas passendes für dich. Und wer weiß, vielleicht laufen wir uns dort ja mal über den Weg. ;)
      Freut mich sehr, dass ich dich durch den Blog hier dazu inspirieren konnte, vielleicht wirklich einmal nach Ghana zu reisen.

      Ganz liebe Grüße zurück

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  6. Hallo Wibke,
    wunderbarer Post! Davon würde ich sehr gerne mehr lesen. Es sind die Menschen, die eine Reise so wertvoll machen. Nicht jeder hat bei Reisen die Gelegenheit oder Zeit, tiefere Erfahrungen vor Ort zu machen. Umso spannender ist es. Bei uns hat, als ich noch recht klein war, eine junge Dame aus Ghana gewohnt, die auf dem Goethe-Institut Deutsch lernte. Sie ist jetzt Deutschlehrerin in Accra.

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    1. Schön, dass dir der Artikel gefällt. Auf dem Blog wird es nun wohl immer mal wieder solche Posts geben, die etwas aus der Reihe tanzen und hinter die Kulissen blicken lassen. Für mich ist es gerade das, was das reisen ausmacht-längere zeit an einem Ort zu sein und in die jeweilige Kultur eintauchen zu können.
      So klein ist die Welt- super, dass sie in Deutschland Deutsch gelernt hat und nun in Ghana die Sprache unterrichtet.

      Liebe Grüße

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  7. Hallo,
    dein Beitrag ist einfach sehr schön geschrieben! Ich fand ihn sehr interessant zu lesen und weiß jetzt viel mehr über Ghanas Frauen erfahren!
    Liebe Grüße
    Nicole

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  8. Hallo Wibke,
    das ist ein sehr interessanter Beitrag über ein Land, von dem ich bisher kaum etwas wusste. Die Ghanaer haben eine wirklich interessante Kultur. Danke für diesen schönen Post!

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    1. Das stimmt, die ghanaische Kultur ist wirklich interessant und vielseitig.
      Danke dir für die Blumen.

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  9. Vortrefflich. Ein Text, der mich nicht inspiriert, sondern schon fast "erleuchtet" hat. Diese starke Stellung der Frau in Ghana ist für mich tatsächlich völlig neu. Und unglaublich faszinierend.
    Nenn mich naiv, aber so wie du das beschreibst, klingt für mich die Rolle der Frau in Ghana viel moderner als die westliche. Ich glaube, das wird mich jetzt noch eine ganze Weile lang beschäftigen. Wenn ich heute Nacht nicht einschlafen kann und über Ghanas Frauen nachdenke - du bist Schuld! :D

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    1. Für mich ist die Rolle der Frau in Ghana auch sehr faszinierend, vor allem, weil ich mit jeder Reise nach Ghana einen noch besseren Einblick darin bekomme. Denke man genauer darüber nach, ist es in Ansätzen wirklich so, dass die Rolle der Frau in Ghana moderner ist als die westliche.

      Es ist eben auch ein anderer Blickwinkel auf ein afrikanisches Land, von dem man sonst vermutlich kaum etwas weiß bzw von dem allgemein eher Schubladendenken herrscht. Die Realität sieht da meist etwas anders aus als das, was man sich so vorstellt. So ist es auch mit der Rolle der Frau in Ghana.

      Ich hoffe du konntest trotzdem schlafen (=

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Hier ist Platz für deine Sonnenstrahlen.

Ich freue mich über jeden einzelnen Sonnenstrahl von dir, der den Weg zu mir findet.