Warum Freiwilligenarbeit auf Reisen gut überlegt sein sollte

In fernen Ländern am Strand relaxen, das Taj Mahal mit eigenen Augen sehen, das Abenteuer Regenwald erleben, eine Safari in Südafrika oder Namibia machen und nebenbei noch etwas Gutes tun. Genau das ist es, was viele reizt und was immer mehr "in" zu werden scheint. Waren es vor zehn Jahren, als ich zwanzig war, nur eine Handvoll Leute, die ihre Fernreise mit etwas vermeintlich Gutem verbinden wollten, fällst du heute schon aus der Norm, wenn du nicht ins Ausland gehst und deinen Auslandsaufenthalt nicht zumindest ein bisschen damit kombinierst, die Welt zu verbessern.

Während meines Volontariats über den Dächern von Accra

Voluntourismus ist in und man kommt kaum daran vorbei. Der Begriff polarisiert. Für die einen ist das der Inbegriff einer tollen Fernreise und die anderen können diesem Mix aus Urlaubsreise und ehrenamtlicher Arbeit so gar nichts abgewinnen. Wieder andere bezeichnen diese Art von Tourismus schlicht als eine Spielwiese für Wohlstandskinder, bei der am Ende nichts weiter heraus kommt als Fotos von jungen Mädels mit blonden, langen Haaren zwischen schwarzen Kindern mit großen Kulleraugen. Entsendeorganisationen werben damit und auf den Bildern, die in ihren Broschüren abgedruckt werden, wird oft genau das gerade genannte Klischee gezeigt. Das, was hinter dem Aspekt Freiwilligenarbeit auf Reisen steckt, ist aber noch viel mehr als einfach eben mal schnell helfen und jeder und jede sollte sich wirklich Gedanken darüber machen, ob Freiwilligenarbeit das richtige ist. Gerade bei diesem Thema und gerade, wenn es dann noch um den Voluntourismus mit Kindern geht, ist das Gegenteil von gut oft eben nur gut gemeint.

In diesem Artikel möchte ich nicht mit erhobenem Zeigefinger dastehen und sagen, was richtig und falsch ist. Ich möchte auch nicht all diejenigen schlecht reden, die sich während eines Auslandsaufenthaltes sozial engagiert haben oder es planen, denn auch ich habe in Ghana mehrere Monate als Volunteer an einer Schule gearbeitet, habe dadurch das Land und die ghanaische Kultur kennen gelernt und vor zwei Jahren durch all die Erfahrungen, Begegnungen und dem Wissen, das dort über die Jahre hinweg mit mir geteilt wurde, eine eigene gemeinnützige NGO gegründet, mit der wir nachhaltig (Entwicklungs-)Hilfe leisten. Amebii Ghana. Was ich möchte ist, dir einen Denkanstoß zu geben und vielleicht so dazu beizutragen, dass deine Hilfe auch wirklich zur Hilfe für die Menschen vor Ort wird und keinen negativen Beigeschmack bekommt.

Die Motivation hinter dem Begriff Freiwilligenarbeit


An sich ist es keine schlechte Idee, sich als junger Mensch (oder auch als älterer) sozial zu engagieren und die Welt entdecken zu wollen. Kritisch wird es dann, wenn die falsche Motivation dahinter steckt.
Geht es um Freiwilligenarbeit auf Reisen höre ich oft, dass Menschen während ihrer Reise ein bisschen helfen wollen. Am liebsten mit Kindern. Und dass es ihnen ein gutes Gefühl gibt, eben mal ein Wochenende oder ein, zwei Wochen während ihrer Reise in einer Schule oder einem Waisenhaus mitzuhelfen. Gerade nach dem Abitur oder während des Studiums klingt es wirklich verlockend, die Zeit bis zur Ausbildung oder dem Studium bzw. die Zeit während der Semesterferien im Ausland zu verbringen und nebenbei noch ein gutes Gewissen zu bekommen. Man hat ja nicht nur Urlaub gemacht und lag faul am Strand, sondern hat etwas für die armen afrikanischen, indischen oder nepalesischen Kinder getan. Wenn auch nur für ein oder zwei Wochen. Man könnte also sagen, die Motivation dahinter ist in dem Falle eine völlig egoistische, die aus der Unwissenheit entsteht, man würde somit wirklich etwas Gutes tun.

Jeder, der sich während einer Reise sozial engagieren möchte, sollte zuerst einmal über sich selbst reflektieren. Welche Motivation steckt hinter dieser Idee? Möchtest du wirklich vor Ort helfen, vielleicht sogar nachhaltig, oder geht es dir schlicht und einfach darum, für dich selbst mehr aus den Erfahrungen, die Freiwilligenarbeit mit sich bringt, zu ziehen als die Menschen, denen du helfen möchtest? Geht es dir darum, einen längeren Auslandsaufenthalt zu rechtfertigen, weil du zum Beispiel gerade deinen Schulabschluss in der Tasche hast, du aber nicht weißt, welches Studium du beginnen möchtest oder du mitten im Studium steckst, dir aber nicht sicher bist, ob es wirklich das Richtige für dich ist und du denkst, eine Reise, verbunden mit Freiwilligenarbeit, wäre eine gute Möglichkeit, dich selbst zu finden und zu erkennen, was du eigentlich wirklich möchtest? Wäre eine Reise die bessere Option für dich, um einen Einblick in eine fremde Kultur zu bekommen, Land und Leute kennen zu lernen und vielleicht auch die lokale Landessprache zu erlernen? Denke darüber nach und finde heraus, was deine wirkliche Motivation hinter der Idee "Freiwilligenarbeit" ist.

Freiwilligenarbeit mit Kindern


Kinder aus meinem Projekt in Accra

Die Arbeit mit Kindern ist ein Thema, das so komplex ist, dass es ganze Bücher füllt. Noch komplexer wird das Ganze, wenn es darum geht, kurz nach dem Abitur in ein fremdes Land zu gehen, dessen Sprache du vielleicht sogar kaum sprichst, dessen Kultur du nicht kennst und zu meinen, du könntest ohne Vorkenntnisse in Schulen, Kindergärten oder Waisenhäusern arbeiten. Ja, oft fehlen im globalen Süden Lehrkräfte oder Betreuerinnen in den Waisenhäusern, aber ich finde es kritisch, ohne Erfahrungen in dem Bereich an einer Schule zu arbeiten, in der du letztendlich dann eben ein bisschen hier etwas machst und ein bisschen da, weil du eigentlich gar nicht so genau weißt, was gefordert wird, was du kulturell beachten muss oder wie du mit manchen Dingen umgehen sollst. Hast du keinerlei pädagogische und didaktische Erfahrungen und dich vorher auch nicht richtig mit dem Land auseinander gesetzt, wird es schwierig. Kommt dann noch dazu, dass du nur kurze Zeit vor Ort bist und es sich somit um einen kurzen Freiwilligendienst handelt, wird es nochmal kritischer.

Es mag sein, dass du gut mit Kindern umgehen kannst, du bei der Arbeit mit Kindern aufblühst und einfach Erfahrungen in dem Bereich sammeln möchtest. Dabei geht es aber in erster Linie nur um dich. Doch genau das ist der falsche Ansatz, denn wenn du unbedingt als Volunteer mit Kindern arbeiten möchtest, dann solltest du dir darüber im Klaren sein, dass es vordergründig eben nicht um dich geht, sondern um die Bedürfnisse der Kinder. Dir sollte auch bewusst sein, dass zur Arbeit mit Kindern, sei es im Kinderheim oder der Schule, viel mehr gehört, als ein par Tage da zu sein und dann wieder zu verschwinden. Viele der Kinder haben in ihrem Leben schon mehr mitgemacht, als du und brauchen daher Bezugspersonen, die nicht wieder im zwei-Wochen-Takt wechseln.

Möchtest du dennoch während deiner Reise mit Kindern arbeiten, erkundige dich vorher genau über mögliche Projekte. Bei Waisenhäusern ist oftmals das Problem, dass sich damit gut Geld machen lässt und die Kinder, die dort wohnen, eigentlich auch daheim bei ihren Eltern wohnen könnten und keine richtigen Waisenkinder sind. Handelt es sich um ein vertrauenswürdiges Waisenhaus, in dem du unbedingt arbeiten möchtest, dann versuche, immer einen gewissen Abstand zu den Kinder zu halten und nicht zur engen Bezugsperson zu werden. Haben sich die Kinder erstmal an dich gewöhnt, wird es schwer für sie, dich wieder gehen zu lassen, ihre neu gewonnene Bezugsperson zu verlieren und sich wieder auf eine neue einstellen zu müssen. Möchtest du an einer Schule oder einem Kindergarten helfen, achte darauf, dass du dort auch wirklich eine sinnvolle Aufgabe bekommst und etwas für die Kinder tun kannst, indem du über mehrere Monate vor Ort bist, du dich intensiv mit ihnen auseinander setzt und so auch nachhaltig einen Beitrag leisten und gutes tun kannst. Es macht absolut keinen Sinn, einem Einheimischen den Job wegzunehmen, wenn du sogar noch für deinen Auslandseinsatz deine Entsendeorganisation bezahlen musst (und auch nicht, wenn du nichts für den Freiwilligendienst zahlst) oder dort zu sein und die Wände des Kindergartens zum zehnten Mal neu zu streichen, nur damit du beschäftigt bist.

Qualifikation ja oder nein?


Als Volunteer wird dir gesagt, dass du problemlos sämtliche Aufgaben erfüllen kannst, ohne besondere Vorkenntnisse zu haben. Ein kurzes Skype-Gespräch mit einem Mitarbeiter deiner Entsendeorganisation, das Zusenden eines Motivationsschreibens und schwupps- auf geht's ins Abenteuer Freiwilligenarbeit. Die Möglichkeiten sind fast unendlich. Englisch unterrichten in China, in einem Kindergarten in der Elfenbeinküste arbeiten, obwohl du kein Wort französisch sprichst, nach dem Abitur in Bolivien in einem Frauenhaus arbeiten und die Frauen mit ihren Kindern psychologisch betreuen, obwohl du überhaupt nichts von Psychologie weißt? All das scheint überhaupt kein Problem zu sein. Ich frage mich jedes Mal aufs Neue, wie es funktionieren kann, in einem Land, das du nicht kennst, dessen Sprache du nicht richtig sprichst und an dessen way of life du dich erstmal gewöhnen musst, irgendeine Arbeit zu machen, für die du überhaupt nicht ausgebildet bist. Das kann doch nicht gut gehen und schadet letztendlich mehr, als das es hilft.

Möchtest du während deines Auslandsaufenthaltes etwas Gutes tun, stelle dir selbst die Frage, ob du genau das auch in deinem Heimatland machen würdest. Wenn ja überlege, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten du hast und wie du sie positiv für dich und vor allem das Projekt vor Ort nutzen kannst.

Verabschiede dich von dem Gedanken, dass du mit Freiwilligenarbeit dauerhaft etwas bewirken kannst,egal wie gut du qualifiziert bist und sehe es als Möglichkeit, etwas von den Menschen vor Ort zu lernen und mehr über den interkulturellen Austausch zu erfahren. Verabschiede dich von dem Gedanken, eben mal kurz helfen zu können und wandle die Idee stattdessen in dauerhaftes, soziales Engagement von zu Hause aus um. Auch so kannst du helfen. Das muss nicht immer heißen, dass du Geld spendest, obwohl das manchmal vor Ort mehr helfen würde als den hundertsten Volunteer betreuen zu müssen, der nach kurzer Zeit wieder verschwindet. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie du Projekte sinnvoll unterstützen kannst.

Die Sache mit den Stereotypen




In den Zeitungen, den Nachrichten und in den sozialen Medien- überall spuken Bilder herum von afrikanischen Kindern mit dicken Wasserbäuchen. Ist das Kind dann noch schmutzig, hat ein Loch in der Hose und eine Fliege im Gesicht sitzen, macht es das Bild perfekt. Es ist das typische Bild, das Hilfsorganisationen und Waisenhäuser nutzen, um Volunteers zu gewinnen oder eben Spenden zu bekommen. Dass aber genau so im wirklichen Leben kein afrikanisches Kind herum laufen würde, ist den wenigsten bewusst. Genau so wenig, wie die Tatsache, dass die dicken Bäuche der Kinder, die vermeintlich daher kommen, dass sie hungern müssen,nichts anderes als Marketing sind. Es bestätigt aber das Klischee, das Organisationen damit vermitteln wollen- den armen afrikanischen Kindern geht es so schlecht, dass die weissen Engel kommen müssen, um zu helfen. Ich weiß, dass das überspitzt gesagt ist. Viele Länder des globalen Südens springen auf den Zug auf, da sie wissen, dass das zieht. Wir haben dieses Bild so verinnerlicht, dass es uns schon komisch vorkommt, wenn solche Bilder nicht zu Werbezwecken genutzt werden. Dass es dort aber auch intelligente Menschen gibt, die Jura, Lehramt oder Architektur studieren interessiert die meisten nicht, da sich das Bild von den armen Ländern des globalen Südens so sehr in die Köpfe eingebrannt hat.

Ich möchte nicht leugnen, dass es diesen Stereotyp nicht gibt. Das könnte ich auch nicht, denn wie sollte ich dann begründen, dass wir mit unserer NGO in Ghana nachhaltig Entwicklungshilfe leisten und diese Hilfe auch wirklich notwendig ist? Das Land ist aber noch viel mehr als eines, das eben Hilfe braucht. Die Strukturen des Landes werden immer besser und junge Menschen haben etliche Möglichkeiten, die sie nutzen können. Genau so sieht es auch in anderen vermeintlich armen Ländern aus.

Möchtest du als Volunteer in einem Projekt im Ausland arbeiten, dann sei dir der Sache mit den Stereotypen bewusst und wandle sie positiv um.

Fazit


Freiwilligenareit auf Reisen ist also nicht grundsätzlich schlecht. Ich finde es immer wieder schön, wenn Menschen sich sozial engagieren möchten. Es kommt aber darauf an, wie die Idee umgesetzt wird. Als Freiwilliger hast du eine gewisse Verantwortung. Planst du deinen Einsatz so, dass er für die Menschen deines Projektes keinen Schaden verursacht, kann das ganze Abenteuer sogar richtig gut sein und einen enormen Nutzen für beide Seiten haben. Hast du noch dazu die richtige Qualifikation für dein Projekt, dann umso besser, denn so kannst du dein Wissen und deine Erfahrung nutzen und Vergleiche ziehen, wie etwas in einem anderen Land gemacht wird, dazulernen und auch Gemeinsamkeiten entdecken. Dennoch wäre ich vorsichtig, was Voluntourismus betrifft, denn viele, die sich für diese Mischung aus Urlaub und arbeiten entscheiden, unterstützen dann keine ökologischen Projekte, bei denen sie zum Beispiel den Strand vom Müll befreien oder arbeiten auf einer Farm. Bei den meisten fällt die Wahl auf Projekte mit Kindern. Die Broschüren sind aber auch sehr verlockend, sodass ich es eigentlich keinem verdenken kann, wenn er oder sie sich eben genau dafür entscheidet. Zu hoffen bleibt dann aber, dass man reflektiert an das Projekt heran geht, sich auch kritisch mit Themen wie Rassismus beschäftigt, flexibel ist und den Freiwilligeneinsatz als Chance zur kulturellen Verständigung sieht und nicht primär als "ich möchte die Welt verbessern."

Andere Stimmen


Um dir einen noch besseren Einblick zu geben habe ich vier andere Blogger und Bloggerinnen, die ebenfalls bereits als Volunteer im Ausland waren oder gerade noch sind, gebeten, mir ein paar Fragen zu Freiwilligenarbeit auf Reisen aus erster Hand zu beantworten.
Danke dafür an Ariane von heldenwetter, die übrigens inspiriert durch meine Suche ebenfalls einen Artikel über Freiwilligenarbeit geschrieben hat, Sarah von solo abroad, Harald von culinary trips und Anne von My dream of Africa, die wie ich als Volunteer in Ghana war.

Das Schöne daran: alle vier waren in anderen Ländern, hatten eine völlig unterschiedliche Motivation, Freiwilligenarbeit zu leisten, sehen ihre Zeit als Volunteer so unterschiedlich wie sie selbst sind und das Fazit, das sie aus ihrer Zeit als Freiwillige ziehen ist gänzlich verschieden. So runden die Gedanken der vier den Artikel perfekt ab und du bekommst noch einmal den ein oder anderen Blickwinkel auf das Thema. 


Anne in ihrem Freiwilligen-Projekt in Ghana

Anne, warum war es dir wichtig, deine Reise nach Ghana mit Volunteering zu verbinden und weshalb hast du dich gerade für dieses Projekt entschieden? 
Ich wollte das Land nicht als Tourist bereisen. Ich wollte tiefer hinein gehen. Einen Einblick in die Kultur erhalten. Mit den Menschen leben. So zu leben, wie sie leben. Und da man als Volontär meistens in einer Gastfamilie lebt und somit die Kultur mitnehmen kann, dachte ich, dass Volunteering die beste Möglichkeit ist, um ein Land zu erleben. 

Ich muss dazu sagen, dass ich mein Projekt in der Zeit vor Ort gewechselt habe. Zunächst habe ich in einem Waisenhaus mit Kindern zwischen 0 und 2 Jahren gearbeitet. Ich habe mich für dieses Projekt entschieden, weil ich selbst "Frühkindliche Bildung und Erziehung" studiert habe, gerne mit Kleinkindern arbeite und sehen wollte, wie dieses fremde Land mit dieser Altersgruppe arbeitet und welchen Status Kinder bei ihnen haben. Weshalb ich aus diesem Projekt in eine Schule gewechselt habe? Das hat verschiedene Gründe. 

Erstens hatte ich das Gefühl, den Frauen im Waisenhaus die Arbeit wegzunehmen (es gab etliche festangestellte Frauen vor Ort). Zweitens hat mein pädagogischer Hintergrund mich weggebracht. In ein Waisenhaus gehören keine kurzzeit Angestellte, da Kinder sehr schnell Bindungen aufbauen, diese Bindungen aber wieder abgebrochen werden, sobald die Freiwilligen das Projekt wieder verlassen. Die Kinder haben dadurch schon in jungen Jahren Verhaltensstörungen. Jedes Mal, wenn ein neuer Volontär in das Projekt kommt, baut das Kind eine neue Bindung auf und sobald diese Person wieder aus seinem Leben tritt, reißt diese Bindung. Für das Waisenkind fühlt sich das an, als würde es immer wieder die Mutter verlieren. Katastrophal für die emotionale Entwicklung der Kinder. Drittens war da kleine Schule im hohen Norden Ghanas, die für die ärmsten der Armen sein sollte, aber keine Lehrer zur Verfügung hatte. Dort wusste ich, dass ich wirklich gebraucht werde und nachhaltig helfen kann. Den Kindern einen Grundstein an Bildung geben. Lesen, schreiben und rechnen beibringen. Und ihnen eine Kindheit geben. Zu Hause mussten sie alle arbeiten. In dieser Schule durften sie Fußball spielen, Springseil springen, mit Kreide malen und lachen. Sie durften Kinder sein. 

Was sind deine Erfahrungen als Volunteer? Gibt es etwas, das man als Freiwilliger unbedingt beachten sollte?    

Kind in Annes Projekt

Es geht um die Menschen vor Ort. Nicht um dich. Nicht um ein Zertifikat in deinem Lebenslauf. Nicht um dein Gewissen. Nicht darum, was andere von dir denken. Melde dich nur dann zur Freiwilligenarbeit, wenn du es nicht tust "um etwas Gutes zu tun" und dich deshalb besser zu fühlen. Sondern nur, wenn du die Menschen vor Ort an erster Stelle siehst. Wenn du niemandem Arbeit wegnimmst. Wenn du niemanden von deiner Arbeit abhängig machst. Wenn du ein nachhaltiges Projekt unterstützt (z.B. eine Schule, Kinder profitieren in der Zukunft von dem Wissen, das du ihnen mitgibst). Zudem solltest du beachten, dass Menschen in einem anderen Land andere Traditionen haben und du dich an ihre Kultur anpassen sollst, solange du von ihnen respektiert werden willst. Bedecke deine Knie, trage ein Kopftuch, grüße ältere Menschen auf die richtige Art und Weise oder schaue Gesprächspartnern nicht ins Gesicht. Was es auch immer ist in dem Land, in das du gehst, informiere dich vorher. Halte dich daran. Es ist eine Frage von Anstand und Respekt. 

Wie siehst du deine Volunteer-Zeit heute und würdest du anderen empfehlen, ihre nächste     Reise ebenfalls mit Freiwilligenarbeit zu verbinden?    
Eine unglaublich lehrreiche aber wunderschöne Zeit. Ich habe einen ganz neuen Blick auf Freiwilligenarbeit erhalten, unglaublich tolle Menschen kennen gelernt und unvergessliche Momente erlebt. Diese Zeit werde ich definitiv nicht vergessen. Irgendwie beschäftigt sie mich immer noch. Diese Schule. Die Kinder. Meine Gastfamilie. Die Menschen. Die Kultur. Die Landschaften. Das Land. Einfach alles...       
Wenn du in einer fremden Kultur leben möchtest, fremde Traditionen kennen lernen,  mit wahnsinnig vielen Menschen in Kontakt treten willst und die Punkte unter der vorherigen Frage beachtest, dann ja. 

Ariane bei der Arbeit für Ecochilca in Peru

Ariane, warum war es dir wichtig, deine Reise nach Peru mit Volunteering zu verbinden?
Ich wollte zwischen Schule und Studium mal raus und hatte eigentlich vor, einfach nur länger zu verreisen. Finanziell war das allerdings nicht drin und nach und nach gefiel mir die Idee, nicht nur als Urlauberin unterwegs zu sein, sondern wirklich ein Jahr lang an einem Ort zu leben, diesen richtig kennen zu lernen, neue Freundschaften zu schließen und die Sprache gut zu lernen. So war ein Freiwilligendienst, bei dem ich die Kosten nicht selbst tragen musste, quasi die einzige Möglichkeit für mich, ins Ausland zu gehen. Da ich mich aber ohnehin für Entwicklungszusammenarbeit interessiere und gern mal einen Einblick in eine NGO bekommen wollte, konnte ich mich schnell für die Idee eines Freiwilligendienstes begeistern.

Weshalb hast du dich genau für dieses Projekt entschieden?
Eigentlich hatte ich mir ein Tourismus-Projekt im Norden Perus ausgesucht, das Recycling-Projekt in Lima war nur meine zweite Wahl. Letztendlich war es aber perfekt, dass ich dort gelandet bin, denn von einem anderen Freiwilligen erfuhr ich später, dass das Tourismus-Projekt gar nicht mehr existierte. Meine Kriterien waren damals relativ einfach: Ich wollte nach Lateinamerika, im Besonderen nach Bolivien, Peru oder Ecuador, und ich wollte etwas im Bereich Umwelt oder Politik/Menschenrechte machen. Ein soziales Projekt im Kinderheim oder in einer Schule wäre gar nichts für mich gewesen.

Hast du dich im Vorfeld auf deinen Einsatz vorbereitet und mit Themen wie   Entwicklungszusammenarbeit, Rassismus oder auch Kolonialismus kritisch auseinander  gesetzt?
Zum Glück ja. Da ich mit weltwärts ins Ausland gegangen bin, gab es eine sehr intensive Vorbereitung. In den zwei Wochen Seminar, die wir wenige Wochen vor dem Abflug hatten, haben wir kaum Infos zu unserem Ausreiseland bekommen, dafür umso mehr über den Sinn unseres Einsatzes und von Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen diskutiert. Wir haben Rassismus- bzw. Critial Whiteness-Trainings mitgemacht und unsere eigene Position in der Welt und im Freiwilligendienst ständig reflektiert. Auch während des Freiwilligenjahres und bei einem Nachbereitungsseminar haben wir solche Themen behandelt. Im Nachhinein bin ich wirklich froh über diese intensive Auseinandersetzung, jede und jeder sollte so ein Programm mitmachen, bevor er oder sie ins Ausland geht!

Was waren deine Erfahrungen als Volunteer? Gibt es etwas, das man als Freiwilliger unbedingt beachten sollte?
Man muss sich im Vorfeld ein bisschen frei von Vorstellungen machen. Manchmal kommt man an und das eigene Projekt existiert nicht mehr oder sieht ganz anders aus als vorher beschrieben, da muss man Flexibilität mitbringen. Vor allem in NGOs kann es sein, dass man mal für zwei Monate gar keine Arbeit bekommt und nur herumsitzt – auch damit muss man rechnen.

Das Wichtigste ist für mich aber: Man muss sich vom Bild des Helfers verabschieden, der ins Ausland geht und alle Probleme beseitigt und sich stattdessen damit abfinden, dass man vor Ort ist, um zu lernen und zu einem Austausch beizutragen, nicht, um groß zu helfen oder etwas zu verändern. Ein Freiwilligendienst nützt in den allermeisten Fällen zu neunundneunzig Prozent der Freiwilligen selbst, indem er zur persönlichen Entwicklung beiträgt – für die Organisation wäre eine Geldspende sehr viel sinnvoller. Freiwilligendienste können im schlimmsten Fall, wenn man unreflektiert ins Ausland geht, mehr schaden als nützen. Eine Bekannte von mir, die BWL studiert, hat für drei Monate in Uganda traumatisierte Frauen betreut. Ganz ehrlich, das hat mich schockiert. Wer häusliche Gewalt oder Bürgerkriege erlebt hat, braucht einen Psychologen und keine übermotivierte einundzwanzigjährige Studentin, die noch dazu keine Ahnung von der Kultur vor Ort besitzt. Wer einen Freiwilligendienst machen will, sollte sich überlegen, ob er für die gleiche Arbeit auch in Deutschland qualifiziert wäre – und wenn nein, den Dienst eher als Praktikum begreifen denn als Hilfsaktion. Wer wirklich helfen möchte, wartet am besten, bis er einige Jahre Arbeitserfahrung hat und diese irgendwo im Globalen Süden einsetzen kann.

Wie siehst du deine Volunteer-Zeit heute?
Es war eine klasse Erfahrung und ich bin froh, dass ich die freie Zeit nicht mit Reisen, sondern mit dem Freiwilligendienst verbracht habe. Nur, wer irgendwo länger lebt und auch wirklich mit „Locals“ arbeitet, kann tatsächlich in einen Ort eintauchen und anfangen, die Kultur zu verstehen. Man bekommt als Freiwillige Einblicke, die Reisenden immer verwehrt bleiben werden. Heute denke ich mir manchmal, dass ich mit 18 vielleicht noch ein bisschen zu jung für das Ganze war, heute würde ich in der Arbeit manches anders machen und mich vielleicht bei vielen Dingen anders verhalten. Und ich wäre wohl heute weniger schüchtern als damals. Es hilft bestimmt, nicht als Abiturientin, sondern mit Arbeits- oder zumindest Studienerfahrung für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Aber andererseits – vielleicht hat der Freiwilligendienst ja dazu beigetragen, dass ich heute selbstständiger und selbstbewusster bin als früher?!

Würdest du anderen empfehlen, ihre nächste Reise ebenfalls mit Freiwilligenarbeit zu verbinden?
Ich möchte davon abraten, eine Reise mit einem kurzen Freiwilligendienst zu verbinden. Vier Wochen reisen, zwei Wochen was Gutes tun, denken sich viele. Doch schon ein einjähriger Freiwilligendienst bewegt so wenig – mindestens drei Monate braucht man meiner Erfahrung nach, um sich halbwegs in Sprache und Kultur einzuarbeiten und um die Arbeitsprozesse in der Organisation zu verstehen. Ein kurzer Freiwilligendienst schadet oft mehr, als dass er nützt, vor allem, wenn die Freiwillige nicht ausgebildet ist. In Waisenhäusern beispielsweise kann es Kinder verstören, ständig wechselnde Bezugspersonen zu haben. Wer Zeit hat, sollte sich überlegen, mehrere Monate oder sogar Jahre zu investieren – und dabei auf eine seriöse Organisation der Entwicklungszusammenarbeit oder eine NGO vertrauen anstatt auf einen Reiseveranstalter.

Sarah beim Englisch unterrichten in Thailand

Sarah, warum war es dir wichtig, deine Reise nach Thailand mit Volunteering zu verbinden und weshalb hast du dich genau für dieses Projekt entschieden?
Das Projekt war eher Zufall. Ich habe mich 2013 sehr für Soziale Arbeit interessiert und bin zufällig auf ein interessantes Angebot in Thailand gestoßen. Nur wenige Wochen, nachdem ich das Projekt entdeckt hatte, saß ich auch schon im Flieger nach Südostasien. Das war mein erster Langstreckenflug, den ich zudem noch alleine antreten musste. Meine Freiwilligenarbeit war quasi der Beginn von meiner Reise-Leidenschaft. Da ich so sehr von Thailand fasziniert war, bin ich im letzten Jahr  zurückgekehrt und habe über ein halbes Jahr in Bangkok gelebt und als Au Pair gearbeitet. 

Mich hat die asiatische Kultur schon immer fasziniert. Damals wusste ich gar nicht, welche riesigen Unterschiede es zwischen den einzelnen Ländern in Südostasien gibt! Ich hatte viel Positives über Thailand gehört und gelesen, daher war die Kombination mit der Freiwilligenarbeit für mich einen Grund mehr das Land zu bereisen.

Hast du dich im Vorfeld auf deinen Einsatz vorbereitet und mit Themen wie Entwicklungszusammenarbeit, Rassismus oder auch Kolonialismus kritisch auseinander gesetzt?
Nicht wirklich. Natürlich bin ich nicht blind darauf losgereist, allerdings habe ich vorab online recherchiert, mich in Foren ausgetauscht und mir wurde von der Organisation eine ausführliche Broschüre über das Land und den Einsatzort ausgehändigt.

Was sind deine Erfahrungen als Volunteer? Gibt es etwas, das man als Freiwilliger unbedingt beachten sollte?

Sarah während ihres Freiwilligenaufenthaltes in Thailand

Achte darauf, dass du nicht ausgenutzt wirst. Es gibt viele Scharlatane dort draußen. Deine Vermittlungsagentur sollte seriös sein und die Preise sollten realistisch sein. Am Besten immer recherchieren und dich in speziellen Reise-Foren austauschen. Informiere dich über die Sicherheit im jeweiligen Land bzw. Einsatzort. Lass dich von einem Hausarzt oder Tropenarzt über notwendige Impfungen beraten.

Würdest du anderen empfehlen, ihre nächste Reise ebenfalls mit Freiwilligenarbeit zu verbinden?
Ich würde Leuten, die gerade ihren Schulabschluss oder ihr Studium hinter sich haben, empfehlen, eine Freiwilligenarbeit anzutreten, die noch nicht so recht wissen wo ihre persönliche Reise hingehen soll bzw. Leuten, die vor dem Studium oder vor der Ausbildung reisen und dabei etwas sinnvolles erleben möchten.

Harald in Kambodscha

Harald, warum war es dir wichtig, deine Reise nach Kambodscha mit Volunteering zu verbinden und weshalb hast du dich genau für dieses Projekt entschieden?
Ich wollte länger als nur zwei oder drei Wochen in Kambodscha bleiben. Seit meinen ersten Besuch hat mich dieses Land fasziniert. Das Volontariat ist eine gute Gelegenheit um das Land, seine Menschen und Kultur näher kennen zu lernen.
Ich habe mich bewusst gegen eine soziale Einrichtung oder pädagogische Anstellung entschieden. Ich habe weder die Ausbildung noch die Kenntnisse hierfür.  Mir ist es wichtig mit Einheimischen zusammenzuarbeiten um über das Land und das Leben aus nächster Nähe zu erfahren.

Hast du dich im Vorfeld auf deinen Einsatz vorbereitet und mit Themen wie Entwicklungszusammenarbeit, Rassismus oder Kolonialismus kritisch auseinander gesetzt?
Mit Entwicklungshilfe habe ich mich tatsächlich kritisch auseinandergesetzt was mich zum Entschluss brachte eben keine Anstellung in diesem Bereich anzutreten. Das klingt vielleicht hart aber es gibt für mich zu viele Punkte das eben nicht zu tun. Es gibt genügend andere Möglichkeiten zu helfen ohne eine Anstellung als Lehrer oder Betreuer wovon ich keine Kenntnisse habe.

Was sind deine Erfahrungen als Volunteer? Gibt es etwas, das man als Freiwilliger unbedingt beachten sollte?
Ich habe mit dem Projekt auf der Insel Koh Thmai einen guten Griff gemacht. Die Arbeit macht Spaß, die Chefs und die Angestellten sind herzlich, aufgeschlossen und geben vieles von der Kultur und der Geschichte dieses Landes weiter.
Ich rate jedem, sich vorher über das entsprechende Projekt zu informieren. Einige nutzen die Volontäre auch aus. Achte darauf, dass das Projekt deinen Fähigkeiten entspricht. Es gibt genügend Möglichkeiten in vielen verschiedenen Bereichen.

Würdest du anderen empfehlen, ihre nächste Reise ebenfalls mit Freiwilligenarbeit zu verbinden?
Ich würde es wieder tun. Wer ein Land und seine Menschen im Alltag kennen lernen will, sollte über eine Freiwilligenarbeit nachdenken. Es ist die einfachste und beste Möglichkeit. 


Du siehst, die Meinungen bezüglich Freiwilligenarbeit auf Reisen könnten unterschiedlicher nicht sein. Mich interessieren aber auch deine Ansichten. Wie stehst du zum Thema Freiwilligenarbeit? Hast du selbst schon als Volunteer gearbeitet oder hast Freunde, die einen Freiwilligendiesnt absolviert haben? Wenn ja, würdest du dich rückblickend wieder für ein Volontariat entscheiden? Stimmst du mit mir, Sarah, Ariane, Anne oder Harald überein oder siehst du das Ganze völlig anders? 

Weiterführende Links:
Pink Compass: Warum es mich wütend macht, wenn du Freiwilligenarbeit mit Kindern machen möchtest
Panorama: Abiturienten als Entwicklungshelfer - sinnlose Kurztrips ins Elend (Reportage über Freiwilligenarbeit mit Kindern in Ghana)
Stern: Erst Waisenhaus, dann Safari
Heldenwetter: Warum Freiwilligenarbeit auf Reisen oft die schlechteste Idee ist

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